Blog

PPWR & E-Commerce: Rückblick, Übersicht & Ausblick

Fabian Arioli, Co-Founder Ravioli

Die PPWR ist in aller Munde. Der Themenbereich der Regulierung ist sehr umfassend. Entsprechend schwierig ist es, in der aktuellen Berichterstattung den Überblick und ein klares Verständnis zu erlangen. Wir haben das Wichtigste für den E-Commerce Bereich mal versucht zusammenzufassen.

Hintergrund PPWR

Verpackungen sind notwendig, um Produkte zu schützen und zu transportieren. Verpackungen werden in aller Regel produziert, einmal genutzt und dann entsorgt. Inzwischen werden 40 % des gesamten Bedarfs an Plastik und 50 % des gesamten Bedarfs an Papier in der EU für Verpackungen eingesetzt.

So kommt es, dass Verpackungsabfälle in den letzten zehn Jahren schneller gewachsen sind als das BIP. Im Jahr 2021 hat jede:r Europäer:in 189 kg an Verpackungsabfällen verursacht. Das sind 500 g pro Person JEDEN TAG. Prognosen gehen davon aus, dass dieser Müllberg ohne entgegenwirkende Maßnahmen bis 2030 auf 209 kg pro Person und insgesamt 92 Millionen Tonnen jährlich in der EU anwachsen wird.

Einheitliche Regeln dieser Entwicklung entgegenzuwirken gibt’s aktuell in der EU nicht. Im Rahmen der Überarbeitung des Verpackungsgesetzes (Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR)) soll dies nun geändert und die Verpackungsflut eingedämmt werden.

Die PPWR umfasst eine Vielzahl an Bestimmungen für verschiedene Lebensbereiche und Industrien und beinhaltet Regeln zur Herstellung, Zusammensetzung, Nutzung und Entsorgung von Verpackungen. Nachfolgend ein Überblick für den E-Commerce Bereich.

PPWR & E-Commerce: Jüngste Vergangenheit

Vor einem Jahr, am 30. November 2022, hat die zuständige Kommission für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) des EU Parlaments ihren ersten Entwurf veröffentlicht. Der Artikel 26 Paragraph 8 sieht dabei verpflichtende Mehrweg-Quoten für Verpackungen im E-Commerce vor:

Economic operators using transport packaging for the transport and delivery of non- food items made available on the market for the first time via e-commerce shall ensure that:

  1. (a) from 1 January 2030, 10 % of such packaging used is reusable packaging within a system for re-use;
  2. (b) from 1 January 2040, 50 % of such packaging used is reusable packaging within a system for re-use;

Kleine Unternehmen, die jährlich weniger als 1’000 kg Verpackungen in Verkehr bringen, sind gemäß Absatz 26 Paragraph 14 von der Bestimmung ausgenommen.

Ein knappes Jahr danach, am 24.Oktober 2023, hat das ENVI dann seine Position für die im nächsten Schritt stattfindende Abstimmung im Parlament veröffentlicht und Stellung bezogen. Dabei wurden die Mehrweg-Quoten für den E-Commerce gemäß Entwurf bestätigt.

Das Parlament hat nach langen Abstimmungsverhandlungen und dutzenden Änderungsanträgen der Mitglieder eine Kehrtwende vollzogen. Sehr wahrscheinlich auch unter großem Druck von Unternehmen (z.B. McDonald’s, Schwarz Gruppe uvm.) und der Wellpappen-Industrie. Die am 22. November 2023 veröffentlichten Bestimmungen sehen weiterhin eine Mehrweg-Quote im E-Commerce von 10% bis 2030 vor. Die Mehrweg-Quote ab 2040 wurde hingegen gestrichen. Neu hinzu kamen signifikante Ausnahmebestimmungen in Artikel 26 Paragraph 13a:

13a.
Economic operators shall be exempted from the obligation to meet targets in this Article, when the rate of recycling of the predominant packaging material as reported by the Member States to the Commission under Article 50(2), point (c), or when the rate of recycling of packaging formats - such as PET bottles or aluminium cans - is above 85 % by weight of such packaging placed on the market on the territory of that Member

Mit diesem Passus hat das Parlament ein großes Schlupfloch für Einwegverpackungen eingebaut und befindet sich im Widerspruch mit dem 2008 auf EU-Ebene verabschiedeten Grundsatz der Abfallhierarchie vermeiden, wiederverwenden, rezyklieren.

E-Commerce: Aktueller Stand

Das vorerst letzte Kapitel in der PPWR Saga hat nach Kommission und Parlament am 18.12.2023 der EU Rat - zusammengesetzt aus den Umweltminister:innen der Mitgliedstaaten - geschrieben. Der Rat hat die vom Parlament vorgeschlagenen Ausnahmen (s. oben) nicht berücksichtigt und sich in seinem Wortlaut stark am Vorschlag der ENVI orientiert:

Economic operators using transport packaging or sales packaging used for the transport and delivery of non-food items made available on the market for the first time via e-commerce shall ensure that:

  1. (a) from 1 January 2030, at least 10 % of such packaging used is reusable packaging within a system for re-use;
  2. (b) from 1 January 2040, at least 50 % of such packaging used is reusable packaging within a system for re-use;

Explizit und neu mit aufgenommen in Artikel 26 Paragraph 8 wurde “sales packaging”, sofern dieses für den Transport verwendet wird.

Zwei Hände halten 3 Mehrweg-Versandverpackungen von Ravioli die aufeinander gereiht sind
Im Vergleich zu Einweg-Kartonagen sind Ravioli-Verpackungen Teil des Ravioli Mehrweg-Systems und produzieren deutlich weniger Müll und CO2-Emissionen.

Nächste Schritte

Ab Januar 2024 haben die Vertreter der drei gesetzgebenden Instanzen Kommission, Parlament und Rat nun drei Monate Zeit, eine Einigung zu erzielen. Erwartet wird, dass es Ende April - und somit noch vor Ende der aktuellen Legislaturperiode - zur finalen Abstimmung im Parlament kommen wird. Bis dahin bleibt es spannend und ungewiss, wie die finale PPWR aussehen wird. Dran bleiben lohnt sich, denn Mehrweg-Quoten für den E-Commerce sind wahrscheinlich.

Dokumente & Quellen

Alle Dokumente zum Nachlesen finden sich im Legislative Observatory zur PPWR auf der Website des EU Parlaments.

Zurück zur Blog-Übersicht