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Der Papierwolf im Schafspelz

Fabian Arioli, Co-Founder Ravioli

Wir haben in einem unserer letzten Blog Beiträge über die Hintergründe, Entwicklungen und Tendenzen in den Verhandlungen der PPWR berichtet. Nach zähen Verhandlungen konnte im europäischen Parlament eine Einigung erzielt werden.

Das Ergebnis wurde bereits im März 2024 veröffentlicht: die Mehrweg-Quote im E-Commerce kommt. Gemäß Artikel 26.1 müssen ab 2030 40 % der Versandverpackungen im E-Commerce in einem Mehrweg-System zirkulieren. Ab 2040 sollen es dann bereits 70 % sein.

Was sich nach einem mutigen Befreiungsschlag raus aus der Wegwerf-Kultur hin zu einem schonenden Umgang mit Ressourcen anhört, ist in Tat und Wahrheit leider nicht annähernd das, was es auf den ersten Blick verspricht. Wer nämlich genauer hinschaut, entdeckt in Artikel 26.4 Ziffer (d) einen knappen, aber umso bedeutenderen Satz:

“The sales obligations set out in paragraphs 1, 2 and 3 do not apply to transport packaging or sales packaging (…) in the form of cardboard boxes.”

Der gesamte Artikel 26 ist also nicht viel mehr als eine leere, symbolische Hülle für eine vermeintliche Veränderung dessen, was sich die Europäische Union im Rahmen des Green Deals eigentlich vorgenommen hatte. Nämlich die Art und Weise, wie wir mit Ressourcen und dem Abfall – zu dem sie häufig viel zu schnell werden – umgehen, nachhaltig zu verändern.

Der Großteil sämtlicher im E-Commerce eingesetzter Verpackungen wird mit Artikel 26.4 Ziffer (d) großzügig ausgeklammert. Gegen 99 % der Pakete, die im E-Commerce verschickt werden, sind nämlich davon nicht betroffen. Zumindest solange sie aus Wellpappe und nicht aus Aluminium, Kunststoff oder Mondstaub gefertigt sind. Die PPWR hat gewiss viele ermutigende und positiv zu bewertende Bestandteile, welche das Potential haben, echte Veränderung zu bewirken. Artikel 26 hingegen ist nichts als ein zahnloser Papiertiger.

Im schlimmsten Fall setzt Artikel 26 sogar Anreize für weniger umweltfreundliche Verpackungen. Währenddem Boxen und Pakete aus Wellpappe nämlich von den Mehrweg-Quoten ausgenommen sind, gilt dies nicht für Versandtüten- und taschen. Es kann also durchaus Sinn ergeben, von Taschen und Tüten, die i.d.R. deutlich weniger Ressourcen in der Herstellung benötigen, auf Kartonboxen zu wechseln, um drohende Mehrweg-Quoten zu umgehen. Ein Schlupfloch, das so eigentlich nicht gewollt sein kann.

Die Europäische Union hat es also leider verpasst, ein mutiges, aber zeitgemäßes Zeichen für eine nachhaltige, ressourcenschonende Zukunft zu setzen. Unsere Überzeugung, dass nachhaltige Mehrweg-Lösungen die Zukunft sind, verändert dieser politische Entscheid nicht. Natürlich hätte der regulatorische Druck zusätzliche Dynamik in der Verpackungsbranche verursacht. Nun ist es an uns und anderen Mehrweg-Lösungen zu beweisen, dass Kund:innen König:innen sind und reichlich Lobbyarbeit kühlen Kopf bewahren und sich in ihren Kaufentscheidungen für Mehrweg einstehen.

Die offiziellen Dokumente können im Legislative Observatory der Europäischen Union abgerufen werden.

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